Zum 50. Todestag

Tolkien ging es nie um ein religiöses Werk

J. R. R. Tolkien
Heute (2. September 2023) jährt sich John Ronald Reuel Tolkiens Todestag zum 50. Mal. Sein Werk «Der Herr der Ringe» zählt zu den meistverkauften Büchern und wurde zum bedeutendsten Buch des Jahrhunderts gekürt. Gedanken von Christian Hatzenbichler.

Weniger bekannt ist, dass Tolkien zeitlebens ein glühender Katholik gewesen ist. Religiosität war zweifellos einer seiner stärksten Charakterzüge und der Glaube hat in seinem literarischen Wirken Niederschlag gefunden. Doch was ist christlich an einer Erzählung, die von der Reise einer bunt zusammengewürfelten Gruppe von Gefährten berichtet, die sich gemeinsam aufmachen, um unterschiedliche Gefahren zu bestehen, dunkle Mächte zu überwinden und schlussendlich einen magischen Ring zu zerstören?

Ein religiöses Werk

Zunächst ist festzuhalten, dass es Tolkien nie darum ging, ein religiöses Werk zu konzipieren. In erster Linie sollten seine Geschichten der Unterhaltung dienen. Weder wollte er belehren noch predigen. Das hinderte ihn nicht daran, sich im Rückblick selbst einzugestehen, dass Der Herr der Ringe «ein von Grund auf religiöses und katholisches Werk» sei. Dem aufmerksamen Lesepublikum ist das schon sehr früh aufgefallen, obwohl Gott in der Erzählung letztlich unsichtbar bleibt und religiöse Kulte oder Bräuche ausgeklammert werden.

Kern des Buches ist die «Frohe Botschaft»: Am Ende siegt immer das Gute über das Böse. Der Weg dorthin ist steinig und birgt viele Gefahren. Um zu gewinnen, müssen traditionelle Werte hochgehalten werden, tugendhafte Männer Abenteuer bestehen, während duldsame Frauen (daheim) auf sie warten.

Klare Moralvorstellungen

Bereits kurz nach Erscheinen der Bücher gefiel nicht allen, dass ein strenges, stark romantisiertes und nicht zuletzt idealisiertes Sittenbild vorherrschend ist. Ganz Tolkiens christlicher Weltanschauung geschuldet, ist Sexualität der Ehe zwischen Mann und Frau vorbehalten. Für die Romanfiguren bedeutet das: Sexuellen (vorehelichen) Versuchungen ist zu widerstehen, erst nach der Heirat folgen die Kinder. Seitensprünge, Scheidung oder Homosexualität finden schlichtweg keine Erwähnung. Die Botschaft ist jedenfalls eindeutig: Wer ein guter Held sein will, muss seine Leidenschaften und Triebe im Griff haben, sonst gerät er in die Fänge des Bösen und wird zu dessen Handlanger.

Elemente christlicher Prägung

Aufmerksames Lesepublikum stösst unweigerlich auf eine Vielzahl von Elementen religiös-christlicher Prägung. Exemplarisch sei das Elbenbrot Lembas genannt, ein Verweis auf die Eucharistie. Lembas ähnelt schon rein äusserlich der Hostie, es handelt sich ebenso um ein flaches Stück Brot. Wer es verzehrt, dem stillt dieses «heilige» Elbenbrot in erster Linie nicht den Hunger, sondern gibt Kraft, schwere Strapazen zu überstehen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Tolkiens persönliche Einstellung zum Empfang der Eucharistie: Für den Oxforder Professor begann der Tag mit dem Besuch des Gottesdienstes. Allerdings empfing er die Eucharistie nur dann, wenn er zuvor zur Beichte gekommen war, ansonsten versagte er sich selbst den Empfang dieses Sakraments.

Helden, Erlöser und Dämonen

Die Bücher bieten eine ganze Reihe von Figuren, die aus dem reichen Fundus christlicher Erzähl- und Bildwelten schöpfen. Eindeutig sind beispielsweise die Parallelen zwischen Jesus und Gandalf, der wie sein biblisches Vorbild als eine Art christliche Erlöserfigur den Verlockungen irdischer Macht widersteht und bereit ist, einen selbstlosen Opfertod zu sterben, nur um kurz darauf auf wundersame Art und Weise aufzuerstehen.

An Helden mangelt es nicht: Es tummeln sich (christliche) Ritterfiguren oder gar Märtyrer neben himmlischen, engelhaften Helfern. Nicht zuletzt gibt es noch die Repräsentanten des Bösen, beispielsweise den Balrog von Moria: Monströs, gehörnt und von Feuer durchwirkt, erinnert dieser an eine schaurige Dämonengestalt aus der christlichen Ikonografie.

Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass viele diese Bildwelten nicht mehr automatisch als christlich erkennen. Das ist auch nicht notwendig, um sich auch 50 Jahre nach Tolkiens Tod an seinen Geschichten zu erfreuen.

Zum Autor

Mag. Dr. Christian Hatzenbichler hat Katholische Religionspädagogik in Graz studiert und in Katholischer Fachtheologie promoviert. Seine Dissertation «J.R.R. Tolkien und sein Christentum. Eine religionswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Tolkiens Werk und seiner Rezeptionsgeschichte» ist 2019 im Tectum Verlag erschienen.

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Datum: 02.09.2023
Autor: Christian Hatzenbichler
Quelle: Livenet

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