«Falsche Informationen verbreitet»

Russisch-Ukraine: Wenn Gebetstreffen gefährlich werden

Der Eingang von Melitopol, im Südosten der Ukraine.
Immer mehr Details über den Druck, den russische Behörden auf evangelische und andere Christen in besetzten Teilen der Ukraine ausüben, kommen ans Licht. Selbst private Gebetstreffen werden überwacht.

Jetzt wurde bekannt, dass eine Frau in den Fünfzigern seit über fünf Monaten in Haft ist und sich wahrscheinlich vor dem von Russland kontrollierten Regionalgericht von Saporischschja im Süden der Ukraine verantworten muss. Sie wurde verhaftet, weil sie im Juli 2023 an einem Gebetstreffen in einem Privathaus in der russisch besetzten Stadt Melitopol weiter im Süden teilgenommen hatte.

10 Jahre Haft möglich

Nach Angaben der norwegischen Menschenrechtsorganisation Forum 18 war die Frau, die fälschlicherweise als «Leiterin einer religiösen Gemeinschaft» bezeichnet wurde, von den russischen Besatzungstruppen festgenommen worden, weil sie «falsche Informationen» über die russischen Streitkräfte verbreitet habe. Der russische Geheimdienst (FSB) ist in den Fall involviert und die Protestantin, die seit Anfang 2024 in Haft ist, wird nach Artikel 207.3 des russischen Strafgesetzbuches angeklagt. Im Falle einer Verurteilung drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft.

Fingierte Vorwürfe vor Gericht

Am 27. April verurteilte das russisch kontrollierte Stadtgericht von Krasnodon in der Region Luhansk Pastor Wladimir Rytikow, Leiter einer (nicht registrierten) Baptistengemeinde, wegen «illegaler Missionstätigkeit» zu einer Geldstrafe von 5'000 Rubeln, der Hälfte seines monatlichen Einkommens. Mehr als 30 Gemeindemitglieder waren zur Gerichtsverhandlung gekommen, um ihren Pastor zu unterstützen. Der Polizeichef von Krasnodon, Oberst Sergej Krupa, weigerte sich zu erklären, warum die Polizei Pastor Rytikov wegen eines Treffens seiner Kirche in einem Altersheim angeklagt hatte. Pastor Rytikov hat Berufung beim russisch kontrollierten Obersten Gericht in Luhansk eingelegt.

Am 19. April erklärte der russische Geheimdienst FSB, er habe in der besetzten Region Luhansk mehr als einen Zeugen Jehovas festgenommen. Gegen sie sei ein Strafverfahren wegen «öffentlichen Aufrufs zu extremistischen Aktivitäten» eingeleitet worden. Die Zeugen Jehovas bezeichneten den Bericht gegenüber Forum 18 als «falsch». Die russischen Besatzungsbehörden stellen häufig Behauptungen über ihr Vorgehen gegen Einzelpersonen und Gemeinschaften auf, die nicht überprüft werden können.

Kirchen geschlossen

Allein in der Region Saporischschja hat der von Russland eingesetzte Gouverneur Jewgenij Balizkij mindestens drei Kirchen verboten und ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt. Nach Angaben von Forum 18 handelt es sich um die protestantische Grace Church, die Christliche Kirche von Melitopol und die protestantische Word of Life Church. Den Religionsgemeinschaften werden von den pro-russischen Behörden Verbindungen zu ausländischen «Spezialdiensten» vorgeworfen. Im Februar 2024 hatten die neuen Behörden in diesem von Russland kontrollierten Gebiet der Ukraine erklärt, dass sie «die Arbeit religiöser Sekten, die an der Organisation von Massenunruhen und antirussischen Aktivitäten beteiligt sind, unterbinden» wollen.

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Datum: 17.06.2024
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus / Forum 18

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